Das Motorrad – made in Landsberg am Lech
In einer kleinen Maschinenfabrik in der historischen Innenstadt von Landsberg am Lech erfindet Alois Wolfmüller mit einigen Freunden das Serienmotorrad und lässt sich auch das Wort „Motorrad“ patentieren. Insgesamt werden 120 „Hildebrand & Wolfmüller“ gebaut, acht Originale sollen heute noch erhalten sein. Friedrich Kleemann im knapp 300 km Luftlinie entfernten Bad Homburg ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 16 Jahre alt und denkt wohl noch nicht an Zweiradbau.
Erste Schritte mit 1 PS
Kleemann, seit 1918 erfolgreicher Fabrikant von Konservengläsern, übernimmt die Aktienmehrheit an der Columbus Motorenbau GmbH in Oberursel (Taunus). Dort wird zu diesem Zeitpunkt bereits der der 1-PS-Hilfsmotor „Gnom“ hergestellt, den Fritz Kleemann (Friedrichs Sohn) in zugekaufte Fahrräder vor dem Tretlager einbaut. Verantwortlicher Ingenieur bei Columbus: Eduard Freise.
Die HOREX-Geschichte beginnt
Fritz Kleemann gründet 22jährig die HOREX Fahrzeugbau AG und verwendet bereits das prägnante Firmenlogo. Den Namen bildet er aus seiner Heimatstadt Bad Homburg und der elterlichen „Rex“-Konservenfabrik. Mit seinem ersten Modell, einer ebenfalls von Eduard Freise erdachten 250cm3-Maschine, feiert er schnell beachtliche Rennerfolge. Kleemanns HOREX-Leitspruch: „Gebaut von Motorradfahrern für Motorradfahrer“.
Fusion mit Columbus
Um finanzielle Probleme in beiden Unternehmen zu lösen, schließen sich Columbus und HOREX zusammen. Die neue Firma trägt den Namen „HOREX-Columbus“. Dieser Titel wird bis 1953 offiziell beibehalten und teilweise auch auf den Motorrädern angebracht. Ab 1927 beginnt die Schaffenszeit des großen HOREX-Konstrukteurs Hermann Reeb († 1990).
Reebs wegweisende Konstruktion
Hermann Reeb konstruiert für HOREX im Laufe der Jahre mehrere Motoren, die ihrer Zeit voraus sind. 1932 baut er einen langhubigen Parallel-Zweizylinder mit dreifach gelagerter obenliegender Nockenwelle, der vor allem im Rennsport für Furore sorgt. Unter anderem gewinnt Karl Braun damit 1935 die deutsche Meisterschaft in der Gespannklasse (1000cm3). Als „S6“ mit 600cm3 und „S8“ mit 800cm3 werden zunächst nur rund 200 Exemplare gebaut, von denen nur noch sehr wenige vorhanden sind. Es folgen die sportlichen Modelle S 35 und S/SS 64 sowie S5 und erneut S6.
Erfolgsgeschichte „SB 35“
Als technische Meisterleistung jener Zeit baut HOREX den „SB 35“ (Sportblock 35). Das Triebwerk wird bis Kriegsbeginn erfolgreich verkauft und auch an die Nürnberger Victoria-Werke geliefert, die es in mehrere Modelle einbauen. Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs muss die Motorradproduktion in Bad Homburg eingestellt werden. Von 1948 an wird der SB 35 dann aber zunächst praktisch unverändert weitergebaut. Er ist seitenwagenfähig und dient wenig später auch als Basis für die „Regina“.
Die legendäre Regina
Erstmals erhält ein Motorrad einen Frauennamen statt einer reinen Funktionsbezeichnung und noch heute verbinden Motorrad-Enthusiasten mit der HOREX-Tradition vor allem die „Regina“. Wegweisendes Design, herausragendes Finish in Chrom und Speziallackierungen, modernste Technik und Zuverlässigkeit machen das Modell schon 1952 zum Verkaufsschlager (über 20.000 Exemplare). Insgesamt werden rund 83.000 Maschinen gebaut, zeitweise verlässt alle sieben Minuten ein Exemplar das Werk. Bis 1955 wird die „Regina“ immer wieder technisch weiterentwickelt (Nockenwellen, Auslässe, Zylinderkopf); angeboten werden schließlich neben der „Sport“ auch Versionen mit 250 und 400cm3.
Friedel Schön sammelt Siege und Titel
Nicht zuletzt dank der Erfolge im Rennsport etabliert sich HOREX über die Jahre als namhafter Hersteller. Waren es vor dem Krieg unter anderem Kleemann selbst und Karl Braun, die Siege einfuhren, macht ab 1950 vor allem der Frankfurter Friedel Schön auf sich und HOREX aufmerksam. 1951 entscheidet er mit der 350er-Rennmaschine das Feldbergrennen und die Deutsche Zementbahnmeisterschaft für sich. 1952 wird Schön als Werksfahrer eingestellt. Obwohl die neu entwickelte 500cm3-„Imperator“ noch unter Kinderkrankheiten leidet, gewinnt Schön das Mai-Pokal-Rennen vor 200.000 Zuschauern auf dem Hockenheimring sowie auf der AVUS.
Die „Imperator“ geht in Serie
Auf der IFMA 1952 wird der Prototyp der „Imperator“ vorgestellt. Nach den Erfolgen im Rennsport geht sie 1954 mit zunächst 392cm3 und 26 PS in Serie, später wird der Motor wieder auf 450cm3 (30 PS) vergrößert. Das neue Zweizylinder-Modell bietet erstmalig ein Vollschwingenfahrwerk für die Serie. Vor allem aber lässt man sich für die obenliegende Nockenwelle den Antrieb (ob Kette oder Königswelle) in einem Schacht zwischen den Zylindern patentieren – ein Prinzip, das nach dem Produktionsende bei HOREX später von vielen Herstellern „stillschweigend“ übernommen wird.
Das Ende der Produktion
Von 1954 an stürzen die Absatzzahlen erdrutschartig in den Keller, daran können auch die „Imperator“ oder die „Resident“ (als Nachfolger der „Regina“ 1955) nichts mehr ändern. HOREX muss erkennen, dass im wirtschaftlich erstarkenden Nachkriegsdeutschland das Automobil immer populärer wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Versicherungsprämien für Motorräder über 200cm3 drastisch erhöht werden. 1956 gibt man den Motorradbau auf, Pläne für ein Klein-Automobil werden nicht mehr umgesetzt. HOREX produziert noch Kinderspielzeug und Blechscheren und fertigt Autoteile für Daimler-Benz. Der Autobauer übernimmt das Werk und setzt es noch einige Zeit für die Komponentenfertigung ein, bevor er es 1960 schließt.
Friedel Münch betritt die Bühne
Friedel Münch († 2014), der begnadete Ingenieur und Sohn eines HOREX-Händlers hatte selbst für einige Monate als Angestellter für Kleemann gearbeitet. Von diesem bekommt er nach der „Abwicklung“ per Handschlag die Rechte am HOREX-Logo. Werkzeuge, Maschinen und 50 „Imperator“-Getriebe ersteht er beim Schrotthändler. Münch ist noch heute für technische Innovationen und seine großen „Mammut“-Vierzylindermaschinen bekannt. 1977 gründet er eine „HOREX Motorrad GmbH“, baut aber nur drei Exemplare der gewaltigen „HOREX 1400 TI“, bevor er die Namensrechte abgibt. Münch arbeitet trotz finanzieller und gesundheitlicher Probleme bis 2001 an spektakulären Projekten.
Wechselnde Eigentümer
Zwar werden von 1980 an immer wieder Motorräder unter dem traditionsreichen Namen verkauft, diese haben aber mit der ursprünglichen Technik und dem Qualitätsanspruch nichts zu tun. Zunächst übernimmt Zweirad-Importeur Fritz Röth die Rechte und lässt Motoren und Fahrwerke von verschiedenen Fremdherstellern zusammenbauen. Er gibt die Marke 1990 an die deutsche Tochter der indischen Bajaj Motor Company weiter, die bis 1998 MZ- und Jawa-Teile für „Regent“ und „Imperator“ verwendet. Bis 2009 liegen die Markenrechte dann bei Hörmann-Rawema in Chemnitz.
200.000 beim „Werner-Rennen“
Als fast nur noch Nostalgiker von HOREX sprechen, bringt ein Comic den Namen wieder in aller Munde: „Werner“, eine von Rötger Feldmann erdachte Kunstfigur, verfügt über ein ausgesprochenes Faible für die Traditionsmarke. Feldmann, der selbst eine alte HOREX fährt, überträgt die Idee eines Rennens gegen einen Sportwagen ins wahre Leben. Eigentlich will der Zeichner vier originale HOREX-Motoren in den „Red Porsche Killer“ einbauen lassen. Aus technischen Gründen werden dann aber die meisten Teile einzeln angefertigt. Im September 1988 sehen über 200.000 Fans auf dem Flugplatz Hartenholm, wie sich Feldmann im 600-Meter-Rennen leider verschaltet und knapp gegen den Porsche unterliegt.
Erster VR6-Versuch
2009 kauft der Maschinenbau-Ingenieur und IT-Fachmann Clemens Neese zusammen mit Partnern die Marke HOREX und geht 2010 mit einem spektakulären Plan an die Öffentlichkeit: er will einen HOREX-typisch innovativen Motor bauen, den ersten VR6 in einem Zweirad. Schon die Prototypen erregen viel Aufsehen, der Übergang zur Serienreife gelingt aber leider erst um Jahre verspätet und unter großen technischen Problemen. Die Maschinen mit dem faszinierenden Ansatz offenbaren die eine oder andere Kinderkrankheit, das Projekt leidet zudem unter diversen logistischen Schwierigkeiten. Trotz zahlreicher Bemühungen, das Unternehmen mit Hilfe weiterer Bankdarlehen, Investoren- und Fördergelder in Millionenhöhe zu stabilisieren, ist daraufhin im August 2014 Schluss. Die Augsburger HOREX GmbH unter Führung von Neese muss Insolvenz anmelden.
HOREX bekommt ein Museum
Die Stadt Bad Homburg, seit jeher stolz auf die große Tradition der Marke HOREX, entscheidet sich 2010 für den Bau eines eigenen Museums. Die Arbeiten beginnen 2011, im September 2012 wird der rund 1,6 Millionen Euro teure Bau unweit des ehemaligen Firmengeländes feierlich eröffnet. Seitdem sind auf 380 Quadratmetern halbjährlich wechselnde Ausstellungen mit Exponaten aus städtischem und privatem Besitz zu sehen.
Rettung durch 3C-Carbon
Für die 3C-Carbon Group AG in Landsberg am Lech ist das Thema „Motorrad“ nicht neu. Durch den Zusammenhang von Leichtbautechnologie und Spitzenmotorsport ist das Unternehmen bereits seit 2013 in der Internationalen Deutschen Superbike-Meisterschaft (IDM) vertreten. Dort erringt das firmeneigene Rennteam zahlreiche Siege, holt 2014 Fahrer- und Markenmeisterschaft sowie 2015 den 2. und 3. Platz. Trotzdem prüft 3C angesichts der schwierigen Situation der insolventen Augsburger HOREX GmbH die Rahmenfaktoren intensiv, bevor das Unternehmen in das Bieterrennen um die Traditionsmarke einsteigt. Als der Zuschlag erfolgt ist, legt man dann richtig Tempo vor: In rekordverdächtigen sechs Monaten entsteht die „Silver Edition“, die auf der IAA 2015 vorgestellt wird. Wenig später folgt die ebenso spektakuläre „Black Edition“. In der allgemeinen Wahrnehmung ist das der strahlende Beginn der Wiederauferstehung einer großen deutschen Marke.
Glanzvoller Auftritt in der Motorradstadt Landsberg
Am 29. Januar 2016 schließt sich ein großer Kreis: Genau 122 Jahre nachdem Wolfmüller das erste Serienmotorrad der Welt konstruierte, präsentiert HOREX – wenige Meter von der historischen Werkstatt entfernt – wieder ein Zweirad aus Fertigung in Landsberg. Auf dem „Snowdance Film-Festival“ bewundern mehrere tausend Besucher die „Snowdance Edition“ der neuen VR6 – ein unverkäufliches Einzelstück, mit dem Landsberg endgültig wieder zur Motorradstadt wird.
Bei diversen Messeauftritten finden die neuen HOREX-Modelle herausragend guten Anklang. Ein besonderes Highlight ist die Weltpremiere der Heritage Line-Modellvariante auf der weltgrößten Zweiradmesse Intermot in Köln mit 220.000 Besuchern.
In Landsberg am Lech startet die Serienfertigung der neuen HOREX VR6-Modelle. Die Auslieferung der Motorräder an die ersten Kunden beginnt.